Die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Mannheim fordert deshalb, dass die ausgesetzten Verhandlungen über einen Landesrahmenvertrag schnell wieder aufgenommen werden, und finanzielle Unterstützung, um die Umstellung bewältigen zu können.
Das BTHG bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Behindertenhilfe: Es wird nicht mehr eine Einrichtung finanziert, sondern der behinderte Mensch erhält ein Budget, welches er als Kunde einsetzen kann, um die Angebote einzukaufen, die er benötigt. Das soll gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen die individuelle Unterstützung bekommen, die sie brauchen, um selbstbestimmt zu leben. Diesen Paradigmenwechsel begrüßt die Liga der freien Wohlfahrtspflege ausdrücklich. Aber der Wandel bringt für die Träger einen erheblichen organisatorischen, personellen und finanziellen Aufwand mit sich. Auch für die Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen bedeutet er neue Herausforderungen.
Umstellung bedeutet hohen Aufwand
"Dieses Gesetz ist ein Bürokratiemonster", sagt Gernot Scholl, Vorstand des Vereins für Gemeindediakonie und Rehabilitation e.V., der an den Verhandlungen mit dem Land Baden-Württemberg über einen Rahmenvertrag teilnimmt. Allein die Stadt Mannheim würde 42 zusätzliche Stellen schaffen, um den Verwaltungsaufwand zu bewältigen. Die Träger von Einrichtungen der Behindertenhilfe hätten sowohl einmalige Kosten für die Umstellung als auch einen dauerhaften Mehraufwand, für den sie einen finanziellen Ausgleich benötigten. Die Umstellungskosten für die Träger werden für ganz Baden-Württemberg auf 15,5 Millionen Euro kalkuliert. Hinzu kommt, dass die Rahmenbedingungen, nach denen die Angebote künftig gestaltet werden, offen sind. "Der Landesrahmenvertrag ist eine Black Box, die noch nicht gefüllt ist", so Scholl.
Angehörige sind besorgt
Die Systemumstellung sorgt auch bei den Angehörigen der betreuten Menschen für Verunsicherung: "Die Angehörigen sind besorgt, dass sich die individuellen Hilfeleistungen verschlechtern, dass man danach weniger hat als vorher", sagt Bärbel Schmidt, Vorsitzende der Angehörigenvertretung der Wohneinrichtungen bei der Diakonie. Meist sind die Angehörigen auch die gesetzlichen Betreuer der behinderten Menschen und kämpfen mit neuen Anforderungen wie einer neuen Bedarfserfassung. "Wir brauchen Ansprechpartner in den Einrichtungen, die den Weg mit uns gehen. Aber die Betreuer dort sind jetzt schon am Limit", sagt Bärbel Schmidt.
Die Betroffenen selbst sind ebenfalls verunsichert: "Das macht etlichen Bewohnerinnen Angst", berichtet Gisela Müller, Leiterin des Käthe-Luther-Heims, einem Caritas-Wohnheim für psychisch erkrankte und behinderte Frauen. "Sie fragen sich, ob sie mit dem Geld auskommen oder ob sie ihre Wohnung behalten können."
Absenkung auf Niveau der Grundsicherung
Auch Berthold Droste, Abteilungsleiter Teilhabe beim Caritasverband Mannheim, befürchtet, dass die Qualität der Leistungen sinken wird: "Das BTHG soll die Teilhabemöglichkeiten der behinderten Menschen stärken und sie mit nicht-behinderten Menschen gleichstellen. Das Problem: Die Gleichstellung wird auf dem Niveau der Grundsicherung verwirklicht, während die Angebote bisher höhere Standards aufweisen." Auch seien viele der Menschen aufgrund ihrer Behinderung nicht in der Lage, jederzeit als Kunde auf einem Markt zu agieren.
Barbara Gerweck, Leiterin des Fachbereichs Seelische Gesundheit beim AWO Kreisverband Mannheim, ergänzt: "Für unsere Einrichtungen gelten zwei wichtige Gesetze mit ganz unterschiedlichen Vorgaben. Diese Schere geht extrem auseinander. Nach dem BTHG gibt es keine stationären Einrichtungen mehr. Aber unsere Wohneinrichtungen gelten nach dem Landesheimbaugesetz weiterhin als stationäre Einrichtungen mit allen bisherigen Aufgaben. Dadurch müssen Richtlinien befolgt werden, die unter anderem bei Neubauten den Kostenrahmen sprengen werden und damit Mietpreise in die Höhe treiben können."
Forderungen der Liga
Die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Mannheim fordert vom Land Baden-Württemberg, dass über den Landesrahmenvertrag zügig weiterverhandelt wird und dass die 15,5 Millionen Euro, die als finanzielle Unterstützung für die Umstellung in Aussicht gestellt wurden, ohne Bedingungen bei den Leistungserbringern ankommen. Bisher wurden nur 4 Millionen Euro fest zugesichert, der Rest ist lediglich auf Nachweis hin verfügbar, was erheblichen zusätzlichen Aufwand bedeutet.
Den Kommunen hat das Land insgesamt 125 Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre für die Umsetzung des Gesetzes und die zu erwartenden Mehraufwendungen versprochen. Die Liga fordert die Stadt Mannheim auf, dass ein Teil dieses Geldes auch bei den Menschen mit Behinderungen ankommt. Außerdem fordert sie, dass der zusätzliche dauerhafte Verwaltungsaufwand der Einrichtungsträger bei den künftigen Vergütungsverhandlungen anerkannt wird.