Das wurde beim Herbstsymposium des Fördervereins St. Vincent Hospiz deutlich, das am 11. November mit 200 Teilnehmenden im voll besetzten Saal des Mannheimer Theresienkrankenhauses stattfand.
Podiumsdiskussion mit Prof. Lars Castellucci (v.r.), Dr. Kerstin Kremeike, Prof. Giovanni Maio, Melanie Ratz und Petra Waßmer, moderiert von Karsten Kammholz.
Das Thema des Symposiums "Suizidprävention - eine Aufgabe von Hospizbegleitung Palliativmedizin?" wurde vor dem Hintergrund der gesetzlichen Neuregelung des assistierten Suizids gewählt. Während zwei Gesetzesentwürfe im Juli 2023 im Bundestag keine Mehrheit fanden, wurde ein Antrag für ein Gesetz zur Suizidprävention mehrheitlich angenommen.
Dass der Hinweis auf die Autonomie des Einzelnen beim Thema Suizid nicht ausreicht, machte der Medizinethiker Prof. Dr. Giovanni Maio deutlich. Wenn jemand sein Leben beenden wolle, seien häufig Einsamkeit, das Fehlen von Beziehungen, die Angst, anderen zur Last zu fallen und ein Gefühl des Ausgeliefertseins die Gründe. Aber das habe auch etwas mit der Gesellschaft zu tun. Er kritisierte ein gesellschaftliches Klima, dass dazu führe, dass Menschen sich wertlos fühlen, wenn sie pflegebedürftig und auf andere angewiesen sind.
Eine Antwort darauf sieht Giovanni Maio in Gesprächen und im Zuhören, ohne zu bewerten. "Es ist Aufgabe der Gesellschaft, dass Angebote zum Sprechen gemacht werden. Wir müssen alles tun, um die Einsamkeit zu beenden, und nicht, das Leben zu beenden." Der Respekt vor Autonomie dürfe nicht zu Gleichgültigkeit und der Entpflichtung der Gesellschaft führen, etwas zu ändern.
Für eine offene Kommunikation über Todeswünsche plädierte auch Dr. Kerstin Kremeike, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Palliativmedizin der Uniklinik Köln. "Suizidale Gedanken entstehen nicht und werden nicht verstärkt, wenn man darüber spricht. Wenn Gespräche über Todeswünsche mit einer offenen und respektvollen Grundhaltung geführt werden, wirken sie suizidpräventiv."
Wie Todeswünsche geäußert werden, ist sehr unterschiedlich, zeigte sie: Aussagen können von "Ich will nicht mehr" über "Wie kann ich ein Ende machen?" bis zu "Können Sie mir nicht ‘ne Spritze geben?" reichen. Um Mitarbeitenden in der Palliativversorgung mehr Sicherheit im Umgang damit zu geben, hat Kerstin Kremeike ein Schulungskonzept und einen Gesprächsleitfaden entwickelt. Die Nachfrage nach entsprechenden Schulungen sei gestiegen.
Gute Orte der Suizidprävention sind Hospiz-Einrichtungen und -Dienste - das zeigten Tageshospizleiterin Petra Waßmer und Hospizleiterin Melanie Ratz vom Caritasverband Mannheim in ihrem Vortrag. Die Dienste bieten eine Begleitung für Betroffene und ihre Angehörigen, einen Raum, um über Ängste und Wünsche zu sprechen, eine individuelle Gestaltung der letzten Lebensphase und nicht zuletzt eine palliative Versorgung, die Schmerzen und andere belastende Symptome minimiert. "Es ist wichtig, frühzeitig eine Begleitung in Anspruch zu nehmen, denn desto mehr Entlastung kann sie bieten", sagte Petra Waßmer.
Im Anschluss an die Vorträge moderierte Karsten Kammholz, Chefredakteur des Mannheimer Morgen, eine Podiumsdiskussion mit den Referentinnen und Referenten sowie dem Bundestagsabgeordneten Prof. Dr. Lars Castellucci, von dem einer der beiden abgelehnten Gesetzesentwürfe zum assistierten Suizid stammt. Er gehört zu einer Arbeitsgruppe, die sich mit dem geplanten Suizidpräventionsgesetz beschäftigt. Die Runde hatte Gelegenheit, ihm inhaltliche Wünsche dafür mitzugeben, darunter waren die Verankerung des Themas in der Ausbildung bzw. im Studium von relevanten Berufsgruppen und einen niedrigschwelligen Zugang zu psychosozialer Beratung. Das Gesetz biete ein Fenster der Möglichkeit, um über Themen wie flächendeckende Hospizversorgung zu sprechen, so der Abgeordnete. Sein Zukunftstraum: "Deutschland soll ein Land sein, in dem wir gerne alt werden."