Schwester Telma heißt noch Anna, als sie in einem kleinen Dorf in Südindien aufwächst - ein Wildfang sei sie gewesen, erzählt sie. Schon als 15-Jährige fasst sie den Entschluss, Ordensschwester zu werden. Die Eltern sind skeptisch, ob das das Richtige für ihre ungestüme Tochter ist, versichern ihr aber: "Wir stehen an deiner Seite." Der Konvent ihrer Wahl hat allerdings auch seine Zweifel: Nach einem Probeaufenthalt bekommt sie eine Absage. Läuft es doch auf ihren zweitliebsten Traum - eine Familie mit vielen Kindern - hinaus? Nein, das Mädchen bleibt der Kirche eng verbunden, macht einen zweiten Anlauf und wird mit 20 Jahren in den Orden Sisters of the Imitation of Christ (Bethany Sisters) aufgenommen. "Ich habe es nie bereut", sagt sie.
Sie macht eine Ausbildung in der Krankenpflege und versorgt Leprakranke in einem Krankenhaus, bis der Orden sie zu ihrer Überraschung auserwählt, nach Mannheim zu gehen. Sie sagt Ja. Und bereut es bereits am Frankfurter Flughafen. Der erste Eindruck: "Oje, wo bin ich hier nur gelandet?" Sie friert und fühlt sich allein. Das Essen im Joseph-Bauer-Haus, ihrer ersten Station in Mannheim, ist fremd und fade. Glücklicherweise gibt sich das alles: Sie wird fürsorglich aufgenommen und sagt im Rückblick: "Ich habe mich nie fremd gefühlt." Und heute schmecke ihr alles außer Sauerkraut.
Da ihre Pflegeausbildung nicht anerkannt wird, beginnt sie am Theresienkrankenhaus erneut eine Ausbildung in der Krankenpflege. "Das war schwer!" erinnert sie sich. "Ich habe nichts verstanden." Die Sprache ist ein großes Problem, nach dem ersten Monat will sie aufgeben und kämpft sich doch durch. Nach erfolgreichem Abschluss zieht sie ins Maria-Scherer-Haus, arbeitet in der Pflege und in der Seelsorge mit, wird stellvertretende Wohnbereichsleiterin und Oberin ihres Konvents, in dem sie mit sechs weiteren Schwestern lebt. Besonders wichtig ist ihr die Sterbebegleitung im Pflegeheim: "Ich bin sehr dankbar, wenn ich in den letzten Minuten bei einem sterbenden Menschen sein kann." Mit einem Gespräch oder einem Gebet hilft sie mancher unruhigen oder traurigen Bewohnerin. Aber auch die Mitarbeitenden kommen mit ihren privaten Problemen zu ihr. "Ich bin hier gereift", sagt sie rückblickend, "habe viele Erfahrungen gesammelt."
Als 2004 der Tsunami in Indien Tod und Verwüstung zurücklässt, hilft Mannheim: Bei einer Spendensammlung des Caritasverbands kommen 25.000 Euro zusammen. Schwester Telma ist das Gesicht der Aktion und reist mit dem Geld in ihre Heimat, wo ihr Orden ein Heim für Kinder, die einen oder beide Elternteile verloren haben, baut. Rund 80 Kinder werden dort aufgenommen. Schwester Telma bleibt ein halbes Jahr dort, um zu helfen. Auch danach begleitet sie das Projekt und sammelt Spenden. So ist sie jedes Jahr beim Schillerlauf der städtischen Kindergärten zu finden, der zugunsten des Waisenhauses stattfindet. Inzwischen sind die Kinder erwachsen, und das Waisenhaus in Kanyakumari wird als Schule genutzt.
2015 dann der Einschnitt: Schwester Telma wird sehr krank. Zwar erholt sie sich, kann auch wieder in der Pflege arbeiten, aber ihr wird klar, dass ihre Kräfte endlich sind. "Nur, wenn ich jetzt hier aufhöre, kann ich in Indien noch etwas bewirken." Sie bittet ihren Orden darum, zurückkehren zu dürfen. Und jetzt ist es soweit: Im Juni geht es für die 52-Jährige ins Mutterhaus nach Trivandrum in Kerala. Am liebsten möchte sie dann in einem Kinderheim arbeiten. "Aber ich bin bereit für alles."
Der Caritasverband verabschiedete sich von ihr am 6. Mai mit einem Gottesdienst in der Jesuitenkirche. Viele Wegbegleiter bedankten sich bei Schwester Telma für ihren langjährigen Dienst, darunter Dekan Karl Jung, sein Vorgänger Monsignore Horst Schroff, der frühere Caritas-Vorstandsvorsitzende Franz Pfeifer, der Caritas-Vorstand und mehrere Heimleitungen. Dekan Karl Jung segnete sie und sagte: "Sie haben durch Ihre Art, Ihre Glaubensfreude, Ihre Ordenszugehörigkeit und Ihr Einlassen auf Deutschland so viel Gutes bewirkt, dafür möchte ich Danke sagen."
"Sie war ein Segen für unsere Einrichtungen", sagt Snezana Manojlovic, Heimleiterin des Maria-Scherer-Hauses. "Wir haben viel miteinander unternommen, für mich ist sie wie eine Schwester. Sie hat einem immer das Gefühlt vermittelt, dass der Mensch in dem Moment der Wichtigste für sie ist."